Das Zunfthaus und der Weinmarkt
Das Zunfthaus zur Metzgern befindet sich am Weinmarkt 3. Der Name Fisch- oder Weinmarkt erscheint in Urkunden erstmals um 1300. Der Platz diente dem Lebensmittelhandel, öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und der südwestliche Teil als Gerichtsplatz mit Pranger und Lasterbank. An den Gerichtsplatz erinnern heute noch die Gasthaus-Namen „Zur Linde“ und „Zum roten Gatter“ (Des Balances). Pranger und Lasterbank wurden Mitte des 19. Jh. entfernt.
1428 wurde der Platz mit Sandsteinplatten ausgelegt. Im oberen Teil wurde Wein gehandelt. Zwar wuchsen an der Musegg und im Rebstock (Seeburg) auch Reben; der aus den Trauben gewonnene Wein vermochte aber die Nachfrage in Luzern nicht zu decken. Weine aus dem Elsass, der Lombardei und dem Veltlin wurden auf dem Weinmarkt gehandelt. Der Sinner, ein städtischer Bediensteter, kontrollierte Wein und Weinhandel. Wälti Walcher war 1395 der erste urkundlich erwähnte Sinner. Wein galt als Lebensmittel. Deshalb tranken bereits Kinder vom vierten Altersjahr an Wein. Ende des 14. Jh. bestanden in Luzern 46 Weinschenken (Weinlokale). Die Weinfässer wurden offen auf dem Weinmarkt gelagert. Ende des 16. Jh. standen bis zu 160 Weinfässer gleichzeitig auf dem Weinmarkt. Im 15. Jh. wuchs das Ansehen der Zünfte in Luzern. Die Zunft der Metzger entschied sich zum Bau eines eigenen Zunfthauses, welches sie 1458 am Weinmarkt zusammen mit den Balenherren, der Zunft der Fischer und Rohrgesellen, errichtete, denn den Metzgern fehlte es an Geld zum Bau des Zunfthauses. 1529 wurde es durch einen Steinbau ersetzt.
Beide Zünfte blieben organisatorisch eigenständig, hatten also eigene Zunftstuben (Versammlungsraum für die Meister und Gesellen) innerhalb des gemeinsamen Zunfthauses, eigene Stubenmeister (Zunftmeister), einen Zunftknecht (Brettschneider) und einen Kerzen- oder Engelmeister (Rechnungsführer). Der Name Kerzenmeister deutet auf die Funktion der Zunft als religiöse Bruderschaft hin. In der Zunftstube brannte stets eine Kerze. Für jeden verstorbenen Zünftler wurde in der Hofkirche eine Kerze entflammt, und die Zunftkerze begleitete den Toten auf seinem letzten Weg.
Der Eingang zum Zunfthaus befand sich ebenerdig. Die Zunftstuben befanden sich im ersten, hohen Obergeschoss. Sie wiesen eine besondere gesellschaftliche Funktion auf: Wenn der Rat von Luzern mit einer auswärtigen Delegation einen Vertrag schloss, so fand die Unterzeichnung mit einem Umtrunk jeweils auf einer der verschiedenen Zunftstuben statt. Die Zunftstuben standen auch anderen Gästen als Trinkstube offen. Ihre breite Fensterfront öffnete sich zum Weinmarkt. Ein zweites Obergeschoss befand sich darüber. Im 17. Jh. wurde das Zunfthaus zur Metzgern um ein weiteres Obergeschoss und ein Dachgeschoss erhöht und war für lange Zeit eines der höchsten Häuser in der Luzerner Altstadt.
1833 brach an der heutigen Kornmarktgasse ein Grossbrand aus. Dem verheerenden Feuer vom 12. auf den 13. Juni 1833 fielen 11 Häuser östlich des Zunfthauses zur Metzgern an der heutigen Kornmarktgasse zum Opfer. Das Zunfthaus zur Metzgern wurde verschont.
Die Mordnacht von Luzern
Bald nach der Schlacht von Morgarten, in der sich die drei Länder Uri, Schwyz und Unterwalden vom österreichischen Joche der bösen Landvögte für immer befreit hatten, trat auch die unten am Bergsee gelegene Stadt des heiligen Leodegar, Luzern, in ihren Bund, also dass man nun diese vier verbündeten Länder um den See bis auf den heutigen Tag die Waldstätte und nach ihnen den schönen, vielarmigen See den Vierwaldstättersee nennt.
Aber der Herzog von Österreich, dem die Stadt Luzern gehörte, war mit diesem Bündnis gar nicht einverstanden. Er suchte daher auf jede Weise die abtrünnige, freiheitssüchtige Stadt wieder unter seine Botmässigkeit zu bringen. Doch die Bürger der Stadt waren auf der Hut und liessen sich von den Landvögten und österreichischen Adeligen, die ausserhalb der Stadtmauern regierten, nicht überrumpeln.
Nun wohnte aber in der Stadt eine grosse Partei vornehmer Leute, die gern Österreicher geblieben wären, da es ihnen besser gefiel, neben dem österreichischen Pfau den Stolzgockel zu spielen, als mit den viehhütenden Bauern der drei Länder falsche Freundschaft zu halten. Sie verschworen sich daher, sogar mit Brief und Siegel, in einer Nacht alle gewichtigen Anhänger der Eidgenossen zu überfallen und in ihren Betten zu ermorden. Dann wollten sie den draussen harrenden österreichischen Adeligen und ihren Reisigen die Tore öffnen und ihnen die Stadt wieder übergeben. Die Verräter hielten die Sache also geheim, dass ausser ihnen kein Mensch in der Stadt etwas von dem bösen Anschlage erfuhr. Als Erkennungszeichen unter sich trugen sie alle einen roten Ärmel. Es war zu Jakobitag im Jahre des Heils 1333 in einer finsteren, aber sternenreichen Nacht. Über dem Pilatusberg, dessen schwache Umrisse dräuend in die vielgetürmte Stadt hineinschauten, stand noch der Halbmond und beschien das Spiel der Wellen, die ein lauer Ostwind, in dem der Duft der Bergweiden wehte, an das offene Seegelände der Stadt trieb. Alles schien längst zur Ruhe gegangen. Überall herrschte tiefste Stille, nur um die Fischernachen am See quirlten die Wasser.
Da schritt langsam ein armer Knabe in zerschlissenem Wams und Höschen vom See her in die Stadt hinein. Aber niemand hörte ihn wandeln, da er barfuss ging, und nur sein schwacher Schatten zeigte sich hin und wieder am steilen Häusergemäuer. Er hatte am See ein wenig gefischt, vielleicht um seiner armen Mutter ein Nachtessen zu gewinnen. Dabei war er nach und nach von dem eintönigen Schlummerlied der spielenden Wellen eingeschläfert worden. In der Hand trug er einen Henkelkrug, in dem ein paar Fische schwammen, und in einem Arm hielt er die Angelrute.
Immer tiefer kam er in die totenstille Stadt hinein, die wie ausgestorben dalag. Und obwohl die engen Gässchen ihn anstarrten wie offene Särge, fürchtete er sich doch nicht und trachtete nur, nun eiliger ausgreifend, bald heimzukommen.
Aber als er sich den grossen Gängen unter den Schwibbogen bei des von Wyl Haus näherte, hielt er auf einmal verwundert an. Bei den Schwibbogen unter der Schneider Zunfthaus und Trinkstube war ein seltsames Klirren und Murren. Einen Augenblick gedachte er schleunigst auszureissen, denn unter den Bogen hielten ja wohl die armen Seelen ihren nächtlichen Umgang. Doch er vertraute auf Gott, schlug ein Kreuz und schlich sich leisen Fusses auf die Schwibbogen zu.
Da erblickte er in den Gängen im schwachen Scheine des untergehenden Mondes eine grosse Schar Männer, die alle schwerbewaffnet waren, und erkannte in ihnen, besonders an ihren roten Ärmeln, die vornehmsten Geschlechter der Stadt. Und als er sich ganz nahe an sie heranmachte, merkte er aus ihren Reden, dass sie vorhatten, nach Mitternacht die eidgenössisch gesinnten Bürger der Stadt zu überfallen, erbarmungslos zu ermorden und den draussen harrenden Feinden die Stadttore zu öffnen.
Von Entsetzen gepackt wollte er sich davonschleichen. Doch einige der Verschworenen sahen seinen Schatten an den Häusern entlang huschen. Sie verfolgten ihn, und als sie ihn eingeholt hatten, brachten sie ihn unter die Schwibbogen zurück. Dort wollte man ihn erst erstechen. Aber als die Verschwörer das zitternde, halbnackte Büblein mit seinem Krug wie ein Häuflein Elend vor ihren Spiessen zusammenzucken sahen, erbarmten sie sich seiner. Doch musste er schwören, keinem Menschen zu sagen, was er unter den Schwibbogen vernommen hatte. Auch liessen sie ihn nicht von sich, sondern behielten ihn in ihren Reihen.
Aber als der Mond völlig untergegangen war und nur noch die Sterne über die Mauer der Stadt hereinblickten, wurden ihre Reden wieder eifriger. Sie rüsteten sich zum Überfall und vergassen den Knaben. So gelang es ihm, von ihnen unbemerkt, sich davonzuschleichen. Noch bleich vor Schrecken über all das Gehörte eilte er, statt heimzugehen, überall in der Stadt herum, zu sehen, ob nicht irgendwo auf einer Zunftstube, wo man allezeit in die tiefe Nacht hinein zu bechern pflegte, noch ein Licht brenne.
Voll Freude sah er auf der Metzger Zunftstube erleuchtete Scheiben. Er machte sich die steile Wendeltreppe hinauf in der Metzger geräumige Trinkstube. Dort schlich er sich hinter den grossen Kachelofen. Die Bürger aber, die ihren fröhlichen Becherlupf taten und würfelten, achteten seiner nicht.
Da fing er auf einmal gar laut zu reden an und rief: „O Ofen, Ofen!“ Nun schauten sich wohl einige Männer flüchtig nach ihm um, dann aber spielten sie weiter. Nach einer Weile hob er noch lauter an und rief: „O Ofen, Ofen, wenn ich reden dürfte!“ Jetzt wurden die Zünfter aufmerksam und fuhren ihn unwirsch und verwundert an: „Was treibst du da so spät hinterm Ofen für närrische Spasse? Was hat dir der Ofen getan? Bist du närrisch? Oder was fehlt dir?“ Doch der Knabe antwortete nun, etwas eingeschüchtert: „O nichts.“ Aber nach einer Weile ward ihm schwer, denn nun musste bald die Stunde schlagen, wo das Morden losgehen würde. Und obwohl er geschworen hatte, den ruchlosen Anschlag keinem Menschen zu verraten, so fasste er sich nun doch ein Herz und rief zum dritten Male: „O Ofen, Ofen, dir muss ich’s klagen, denn ich darf’s ja keinem Menschen sagen. Es sind viele Leute versammelt unter den grossen Schwibbogen bei der Egg. Sie wollen diese Nacht einen Mord in dieser Stadt vollbringen. O Ofen, Ofen, das ist die heilige Wahrheit!“
Jetzt merkten die zechenden Zünfter das Unheil. Sie fuhren erschrocken auf, und ohne den Knaben noch weiter etwas zu fragen, machten sie sich schnellstens aus der Trinkstube und rannten, sich zu waffnen, still nach Hause und danach zum Schultheissen und allen eidgenössisch Gesinnten der Stadt. Vor allem besetzten sie die Stadttore.
Bald waren sie in hellen Haufen beisammen, und als nun die Rolandshörner von Luzern fürchterlich alles aus den Betten heraushornten, wussten die Verschworenen unter den Schwibbogen, dass ihr Verrat ausgekommen sei. Also liefen sie eilig in ihre Herrenhäuser. Doch erwischte man noch einige von ihnen und erkannte nun, da sie alle rote Ärmel trugen, die ganze Verschwörerschaft, die alsbald eingezogen wurde. Die Verräter hätten wohl das Leben verloren, würde sich Gott nicht ihrer erbarmt haben, wie sie sich vorher des Bübleins erbarmten, das ihnen in die Hände lief und sie vor einer ungeheuerlichen Bluttat bewahrt hatte. Auf Fürbitte der zu Hilfe eilenden Eidgenossen der drei Länder schenkten sie den Verschwörern das Leben, und diese wurden nachmals getreue und biderbe Eidgenossen.
Von dem armen Büblein aber, das durch seinen guten Kopf und sein tapferes Herz die Stadt gerettet hat, ist nicht einmal der Name auf uns gekommen. So wollen wir ihn denn einmal zusammen lesen im Buche des ewigen Lebens.
Quelle: Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart 1915.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Jänner 2005.
Die Legende
O Ofen o Ofen, wass muss ich dir klagen
Weil ich’s beim Eid niemand darff sagen;
Die Landsknecht wollen, wann’s Zwölfe wird schlagen,
Alles ermorden und alles erschlagen!
Ich habp ihrem Rat gar ernst zugplosen
Unter der Egg, drum klag ich’s dem Ofen,
Und kommen noch auf dem Wasser gar viel
Zu helfen vollbringen das traurige Spiel.
Ihr Brüder! Losed auf’s Bettelbub Klagen,
Lauf einer geshwind, tu’s der Obrigkeit sagen,
Dass man mache, dass d’Gloggen nit Zwölfe tut schlagen
So wollen wir alle Landsknecht erschlagen,
Ein andrer zur Zunft der Pfister soll eilen,
Auch die Zunft der Schnider soll nit verweilen
Dass wir zu beiden Seiten der Egg tapfer draufschlagen
Was wir nit fangen und gänzlich erschlagen.